01. September 2021
INHALT:
Junhi träumt. In ihren Träumen sieht sie die Zukunft und die Vergangenheit. Aber sie kann ihre Träume und die darin enthaltenen Botschaften alleine nicht richtig deuten und braucht Hilfe. Als sie sich an den erfahrenen Traumdeuter Tukh wendet, beschwört sie damit unabsichtlich ein grosses Unglück herauf.
Wir befinden uns in der letzten Eiszeit. Die Menschen leben in Wohnhöhlen und sind auf das Jagdglück der Jäger ihres Stammes angewiesen. Der Glaube an die Grosse Mutter, die das Leben des gesamten Stammes und der ganzen Schöpfung lenkt, ist allgegenwärtig. Der Kreislauf der Jahreszeiten bestimmt den harten Alltag. Und doch ist darin Platz für Kunst, für Musik und Träume. Gerade durch sie offenbart sich die Grosse Mutter den Menschen.
Junhi fühlt sich nicht wirklich zu ihrem Stamm gehörig. Als sie noch klein war, wurde ihre Mutter dem Mann eines anderen Stammes gegeben, ihr Vater wurde getötet. Junhi wird geduldet, mehr nicht. Und auch die Stammesmutter Uma ist ihr keine Hilfe. Im Gegenteil. Sie verbietet ihr sogar das Träumen, denn der Träumer des Stamms, der erfahrene Tukh, hat bereits jemanden, den er zu seiner Nachfolgerin ausbilden soll: Tira. Sie ist körperlich eingeschränkt, sodass sie nie eine Jägerin oder gar Mutter werden kann, deswegen hat Uma ihr den Platz an Tukhs Seite zugewiesen. Doch Junhi ist die bessere Träumerin. Und die begnadetere Zeichnerin, denn die Träume müssen auf die Höhlenwände gemalt werden. Entweder mit roten oder mit schwarzen Farben, je nachdem ob es ein guter oder ein schwerer Traum war. Gegen den Befehl von Uma teilt Junhi weiter ihre Träume heimlich mit Tukh. Doch als dieser einen ihrer Träume falsch deutet, ihn als seinen eigenen ausgibt und die Jäger zur Mammutjagd schickt, werden diese bis auf zwei Männer alle getötet. Fortan fürchtet sich Junhi vor ihren Träumen und fühlt sich allein schuldig an dieser Katastrophe.
Um nicht zu verhungern, bleibt dem Stamm nichts anderes übrig, als einen anderen um Aufnahme zu bitten. Die jungen Frauen gelten dabei als Geschenke, die von den Männern des neuen Stammes gewählt werden dürfen. Junhi hadert lange mit sich, doch schliesslich gibt sie ihren Wunsch, Tukhs Nachfolgerin zu werden, auf und entschliesst sich dazu, die Frau des freundlichen Jerrik zu werden, der um sie wirbt. Aber im allerletzen Moment greift Tukh ein und beansprucht Junhi nun doch auch öffentlich für sich.
Uma (und ebenso Tira) kocht vor Wut, und Junhi und Tukh werden aus ihrem Stamm und auch aus allen befreundeten Stämmen verbannt. Nach einer beschwerlichen langen Wanderung gelangen die beiden schliesslich zu der alten Höhle, in der Tukh einst zum Träumer ausgebildet wurde. Junhi kümmert sich fortan um die Jagd und den Lebensunterhalt der beiden, während Tukh sie immer weiter in die Geheimnisse der Traumdeutung einweist. Eine Besonderheit stellt die bildliche Darstellung der Träume dar. Szenen aus den Träumen werden auf die Höhlenwände gemalt und bleiben so lebendig. Junhi lässt ihr Mammuttraum nicht los, unbewusst spürt sie, dass mehr dahintersteckte, als alle ahnen. Besonders zu schaffen macht ihr der «Löwenmann», dem sie immer wieder in ihren Träumen begegnet. Mal erscheint er hilfreich, mal undurchsichtig und abweisend. Wer ist er?
Als Tukh überraschend stirbt, ist Junhi ganz auf sich gestellt. Nachdem sie ihren Lehrer begraben hat, macht sie sich alleine auf die Suche nach den Mammuts, deren Ruf sie immer wieder in ihrem Innern hört...
Meine Meinung:
Diesen Jugendroman habe ich verschlungen. Man vergisst immer wieder, dass man sich 28 Tausend Jahre in der Vergangenheit befindet, mit so viel Tempo und so aktuell wird Junhis Geschichte erzählt. Dabei erfährt man eine Menge über das Leben in der Eiszeit. Besonders gut hat mir die Verbindung von Träumen und künstlerischer Darstellung gefallen, deren Spuren ja noch erhalten sind. Die Höhlenmalereien von Lascaux oder Gargas und vieler anderer Höhlen kann man heute noch bewundern. Linda Dielemans, die niederländische Autorin des Romans, ist Archäologin. Ihre fundierten Kenntnisse über diese Epoche machen «Im Schatten des Löwen» zu einem gleichermassen spannenden wie informativen Buch. Ich kann mich nach der Lektüre dieses Romans noch viel besser in die Eiszeitmenschen hineinversetzen und habe (trotz einiger Vorkenntnisse) noch eine Menge gelernt. Das hat mir wirklich Freude gemacht. Besonders schön finde ich auch die Seiten am Ende des Buchs: Die Autorin hat eigene Zeichnungen als «Liste mit Höhlenmalereien» mit einer Kurzbeschreibung angefügt. So kann man noch besser verstehen und begreifen, was im Roman erzählt wird.
Junhis Suche nach ihrem Platz im Leben und ihrer Bestimmung unterscheidet sich im Grunde genommen nicht von den Fragen, mit denen jede und jeder von uns sich selbst auch auseinandersetzt. Linda Dielemans ist es wunderbar gelungen, eine so lange zurückliegende Epoche glaubhaft lebendig werden zu lassen.
Fazit:
Sehr zu Recht ist Linda Dielemans bereits für ihren historischen Roman «Im Schatten des Löwen» mit Preisen ausgezeichnet worden. In ihrem Werk vereinen sich ihre beiden Talente als Schriftstellerin und Archäologin auf beeindruckende und überzeugende Weise. Ich empfehle dieses Buch für Jugendliche ab 12 Jahren.
Informationen zum Buch:
Im Schatten des Löwen • Linda Dielemans • Verlag Freies Geistesleben• 1. Auflage 2021 • 411 Seiten • ISBN 978-3-7725-2865-1
Jugendbuch ab 12 Jahren
Unbezahlte Werbung:
Herzlichen Dank an den Verlag Freies Geistesleben für die kostenlose Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplars.