Skeleton Tree - Nur die Wilden überleben

Iain Lawrence


17. September 2021

 

Der zwölfjährige Chris hat vor einem Jahr seinen Vater verloren, zu dem er ein eher ambivalentes Verhältnis hatte. Als ihn eines Tages der Bruder seines Vaters, der Abenteurer Onkel Jack, zu einem Segeltrip an der Küste Alaskas einlädt, ist Chris sofort begeistert. Auf dem Boot trifft er den drei Jahre älteren Frank, der sehr abweisend auf ihn reagiert. Während Chris benommen vor Seekrankheit und von den starken Tabletten, die ihm sein Onkel dagegen gegeben hat, in seiner Kajüte liegt, gerät das Segelboot in einen Sturm. Als das Boot kentert, muss Chris mitansehen, wie sein Onkel ertrinkt und rettet sich mit Frank im Beiboot.

 

Die beiden Jungen stranden schliesslich an einer verlassenen Küste und sind völlig alleingelassen. Weil sie weder Nahrung, noch Funkgerät, noch Feuer haben, sind sie bald am Ende ihrer physischen und psychischen Kräfte. Frank erweist sich als der in der Wildnis Erfahrenere und lässt dies den jüngeren und ängstlicheren Chris bei jeder Gelegenheit durch Demütigungen spüren. Als sie schliesslich eine verlassene Hütte und die Leichen von deren Bewohnern finden, eskaliert der Streit zwischen den beiden immer mehr.

 

Chris macht auf der Insel die Bekanntschaft eines offenbar zahmen Raben, und als Frank sich an der Hand verletzt, scheint sich das Blatt zu wenden.

 

Im Verlauf der Erzählung wechseln die Rollen, gegen Ende ist es Chris, der Frank immer wieder Hoffnung auf Rettung macht und sich um ihn kümmert. Beide Jungen erkennen, dass sie nur gemeinsam in der Wildnis überleben können. Und sie finden heraus, dass sie mehr miteinander verbindet, als sie bisher ahnten...

 

Meine Meinung:

 

Iain Lawrence ist ein Meister darin, Leser vom ersten Moment an in seine Geschichten hineinzuziehen und zu fesseln. Wie schon bei «Die Tochter des Leuchtturmwärters» fühlt man sich auf besondere Weise mit den Hauptfiguren verbunden, und diese begleiten einen noch lange nach Beendigung der Lektüre in den eigenen Gedanken.

 

Auch in diesem Buch wird Lawrences Affinität zu Nichterklärbarem und mystisch Geheimnisvollen spürbar. Verstorbene erscheinen und geben Hinweise für die Lebenden. Tiere sind Boten, Freunde oder Feinde. Und die Natur in all ihrer Schönheit und Bedrohlichkeit ist ein Abbild für Werden und Vergehen, Schauplatz für Mythen und Legenden, der Ort, in den Freude und Leid eingebettet sind.

 

 

Die Entwicklung der beiden Jungen ist interessant zu beobachten. Lawrence beschönigt nicht und gibt auch immer wieder Einblicke in die dunklen Seiten der menschlichen Seele. Grausamkeiten, welche Mensch und Tier widerfahren, können zu deren Untergang führen oder durch Behutsamkeit und Geduld geheilt werden.

 

 

Nach meinem Eindruck sind es in diesem Buch allerdings etwas zu viele Fragen, die angeschnitten werden. Es geht wohl in erster Linie um das Überleben in der Wildnis, doch ausserdem werden noch Probleme wie Alkoholismus, Ehebruch, Verlassenheitsgefühle, Mobbing, Minderwertigkeitsgefühle, Naturkatastrophen, Krafttiere, Religion und Mystik der Ureinwohner Alaskas behandelt.

 

So ist man bei der Lektüre trotz aller Spannung ein wenig orientierungslos, so wie die beiden Jungen auch.

 

 

Die eigentliche (tragische, aber in sich konsistente) Hauptfigur in diesem Buch war deshalb für mich der Rabe «Thursday», ohne dessen Beistand und Hilfe keiner der Jungen hätte überleben können.

 

Die Gestaltung des Covers durch Daniel Burgess hat mir daher auch sehr gut gefallen: Man sieht Frank und Chris auf einem Felsen sitzen, welcher das Aussehen eines Rabenkopfes hat.

 

Fazit:

 

«Skeleton Tree» ist ein Buch für Jugendliche, das die Leser zum Nachdenken anregt und im Stil eines klassischen Abenteuerromans geschrieben ist. Innerhalb der Rahmenerzählung gibt es jedoch etliche Passagen und symbolische Geschichten, die nach meinem Gefühl für sehr junge Leser nicht so leicht zu verstehen und zu verarbeiten sein könnten und auch etwas von der eigentlichen Geschichte ablenken.

 

4/5


Informationen zum Buch:

 

Skeleton Tree - Nur die Wilden überleben • Iain Lawrence • Verlag Freies Geistesleben• 1. Auflage 2021 • 271 Seiten • ISBN 978-3-7725-2973-3

 

 Jugendbuch ab 12 Jahren


Unbezahlte Werbung:

Herzlichen Dank an den Verlag  Freies Geistesleben für die kostenlose Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplars.