Alle Farben weiss

Christa Ludwig


16. November 2021

INHALT:

 

Tief verunsichert durch eine negative Beurteilung ihres Professors gibt Selina das Kunststudium auf und wendet sich daraufhin einer Ausbildung als Restauratorin zu. Auch privat läuft nicht alles so, wie sie es gerne hätte. Der Mann, in den sie verliebt ist, scheint nichts von ihr wissen zu wollen. Und der Mann, von dem sie ungewollt schwanger wird, scheint ihr nicht der Richtige zu sein und keine Gefühle für sie zu haben. So trennt sich Selina von ihrem alten Freundeskreis und beginnt ein neues Leben, zunächst allein, dann mit Sohn Silas, dessen Vater Stefan aber von seiner Existenz nichts weiss. Als Selina der Klosterschwester Agnes begegnet, bittet diese sie darum, in ihrem Kloster ein spätmittelalterliches neu übermaltes Gemälde freizulegen. Selina willigt ein und beginnt gegen den Widerstand einer anderen Nonne mit der Arbeit. Währenddessen trifft sie zufällig Stefan wieder, der als inzwischen erfolgreich tätiger Maler seine Bilder ausstellt. Auf einem der Bilder erkennt Selina nur für sie verstehbare Details wieder, welche ihr schlagartig bewusst machen, dass Stefan doch nicht der gefühllose Mann war, für den sie ihn gehalten hatte...

 

MEINE MEINUNG:

 

Selina, die Protagonistin der Erzählung, wird eingeführt als eine Person, die sich über alles und jeden viele Gedanken macht. Leider verhält es sich dabei aber oftmals so, dass sie nur vermuten kann, wie etwas sein könnte und sich dadurch vieles verbaut. Sowohl in die Bemerkungen ihres Professors als auch in die Gestik und die Äusserungen ihrer Mitbewohner resp. der Männer, die sie liebt, legt sie so viel hinein, was möglicherweise gar nicht da ist. Insofern ist Selina ein Prototyp derjenigen Menschen, die sich in Vermutungen ergehen und dann (vermeintlich) verletzt zurückziehen, anstatt den direkten und vorurteilsfreien Dialog mit dem Gegenüber zu suchen.

 

Das übermalte Bild, welches Selina als Restauratorin freilegt, ist wie ein Spiegel ihres eigenen Lebens und Denkens. Das Offensichtliche liegt vor Augen, aber man muss genau und vorurteilsfrei hinsehen. Die untere Schicht zeigt, wie es wirklich war – die übermalte Schicht zeigt, wie jemand denkt, dass es war oder sein sollte. Dass es sich dabei um die Kreuzigungsszene Jesu Christi handelt, kann man theologisch ausdeuten, wenn man möchte. Die Gedankengänge der Autorin in Hinblick auf dieses Geschehen waren mir jedoch zu vage, um sie wirklich nachvollziehen und hier in Worte fassen zu können. Auch der Zwiespalt im Innern Selinas zwischen Areligiosität und der Sehnsucht nach Ruhe und Geborgenheit in den Klostermauern und bei Gott hätte dann vertieft und nicht nur angerissen werden müssen.

 

Die Restauration des Bildes und Anwendung der verschiedenen dazu notwendigen Mittel liest sich spannend. Als es jedoch um die Freilegung des letzten entscheidenden Details geht, endet der Roman. Der Höhepunkt, auf den das Buch hinläuft, wird nicht mehr erzählt und offengelassen. Auch wenn dies vermutlich so beabsichtigt ist, wirkt der Roman auf mich dadurch unfertig und lässt mich eher unbefriedigt und etwas ratlos zurück.

 

Überhaupt gibt es in der gesamten Erzählung sehr viele Andeutungen und viel Symbolik. Das lässt Raum für eigene Gedankenspiele und Interpretationen, ist aber nach meinem Empfinden zu viel.

 

 

FAZIT:

 

«alle Farben weiss» hat mir von der Gesamtidee sehr gut gefallen. Leider konnte das Buch für mich nicht halten, was der Umschlagtext verspricht, weil zu viel nur angedeutet, zu wenig aber für den Leser wirklich freigelegt wird.

 

 

4/5


Informationen zum Buch:

alle Farben weiss • Christa Ludwig • Verlag Freies Geistesleben - Reihe Oktaven: Imprint für Kunst im Leben und Lebenskunst • 1. Auflage 2020 • 153 Seiten • ISBN 978-3-7725-3020-3

 

Erzählung


Unbezahlte Werbung:

Herzlichen Dank an den Verlag Freies Geistesleben für die kostenlose Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplars.


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