Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid

Alena Schröder


27. Januar 2021

INHALT:

 

Aus Sicht von drei Frauenfiguren wird die Familiengeschichte der jungen Hannah erzählt, die jede Woche ihre Grossmutter Evelyn im Altersheim besucht.

 

Hannah hat als junge Frau ihre Mutter an Krebs verloren und seitdem nicht wieder richtig Fuss fassen und ihr Leben organisieren können. Etwas planlos lebt sie in den Tag hinein und verliert sich in Schwärmereien für ihren Doktorvater. Ihre Grossmutter, eine ehemalige Ärztin, hat wenig Verständnis für diesen Lebensstil und macht daraus auch keinen Hehl. Durch Zufall findet die Enkelin bei einem ihrer Besuche heraus, dass sie offenbar Nachfahrin und Erbin eines jüdischen Kunsthändlers ist, dessen Besitz während des Dritten Reichs entwendet wurde. Hannah begibt sich auf die Suche nach der verschollenen Kunst und auch nach ihren Wurzeln. Diese werden nun für die Leser nach und nach dadurch freigelegt, dass in Rückblenden über Kindheit und Erwachsenenzeit von Hannahs Vorfahrinnen berichtet wird. Parallel dazu wird die Beziehung von Hannah und ihrem Professor erzählt, der ausserdem noch den ehrgeizigen Assistenten Jörg, dessen Spezialgebiet das Judentum und das Dritte Reich ist, auf die junge Frau ansetzt.

 

MEINE MEINUNG:

 

Dieses Buch besticht zunächst durch die wunderschöne Gestaltung seines Covers und den ungewöhnlichen Titel. Liest man dann die Klappentexte, so erfährt man, dass es sich dabei um die Bildbeschreibung eines Gemäldes handelt. Wenn man dann in die ersten Seiten eintaucht, staunt man, wie locker und unbeschwert die Verfasserin einen Roman schreibt, in dem es um das Unrecht der Nazizeit, eine lange verheimlichte jüdische Vergangenheit und Raubkunst geht. Das hat mich zunächst überrascht, aber ich finde, man kann das durchaus so machen. Die Thematik ist interessant und wichtig und verdient deswegen sicherlich eine genauere Betrachtung und ruhig auch eine romanhafte Behandlung.

 

Die Redundanz und der eingängige Schreibstil sind dabei zugleich Stärke und stellenweise auch ein wenig Schwäche dieses Romans. Alles ist sehr flott erzählt, schnell liest sich Seite um Seite, Kapitel für Kapitel. Manchmal dachte ich dabei: Ist dieses und jenes eigentlich wirklich wichtig für den Fortgang der Geschichte? Welche Bedeutung haben zum Beispiel die persönlichen Befindlichkeiten des Professors oder diejenigen von Jörg für das eigentliche Thema, nämlich die Aufarbeitung der Familiengeschichte durch Hannah? Im Gegenzug erfahren wir dann aber leider kaum etwas über Hannahs Mutter, obwohl der Roman doch alle vier Frauenfiguren behandeln will.

 

Dann geht es in dem Buch auch um den Konflikt zwischen Mutterschaft auf der einen und Berufstätigkeit von Frauen auf der anderen Seite gehen, und wie dies unser eigenes Frauen- und Mutterverständnis prägt. Das alles sind wichtige Themen, aber durch die Vielzahl kann einiges inhaltlich nur gestreift werden. Der Geschichtsbezug und seine Auswirkungen auf die Entwicklung aller vier Frauen kommt daher für mich etwas zu kurz.

 

FAZIT:

 

Alena Schröders Buch hat mich einerseits sehr gut unterhalten und andererseits dazu anregt, über vieles noch genauer nachzudenken und selber zu recherchieren. Situationen und Menschen werden gekonnt, humorvoll und treffsicher zu charakterisieren. Das eigentliche Thema "Raubkunst im Dritten Reich" wird in Rückblenden immer wieder erwähnt, geht aber in der Fülle der verschiedenen Erzählstränge nach meinem Gefühl ein wenig unter.

 

4 / 5


 

Informationen zum Buch:

 

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid • Alena Schröder • dtv Verlag • Originalausgabe 2021 • 366 Seiten • ISBN 978-3-423-28273-4

 

Roman

 


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Herzlichen Dank an den dtv Verlag für die kostenlose Zuverfügungstellung des Rezensionsexemplars.