Melody

Martin Suter


 

2. Mai 2023

 

Der 84 jährige Dr. Stotz weiss, dass er schwer krank ist und nicht mehr lange zu leben hat. Also möchte er seinen Nachlass ordnen, verwalten, und säubern lassen, so dass der Nachwelt ein schöngefärbtes Bild von ihm in Erinnerung bleiben kann. Auf eine Zeitungsannonce hin meldet sich der junge Jurist Tom Elmer. Stotz verpflichtet ihn sogleich zu seinem Nachlassverwalter für ein Jahr nach seinen Bedingungen: Er zahlt ein fürstliches Gehalt und bietet ihm freie Kost und Logis in der Villa an.

 

Tom lässt sich von dem alten Herrn einkaufen und merkt recht schnell, dass es diesem eigentlich weniger um den Nachlass, sondern vielmehr darum geht, einem Fremden diejenige Geschichte zu erzählen, die Stotz‘ Freunde schon hundertmal gehört haben: Das mysteriöse Verschwinden von Stotz’ Verlobter direkt vor der Hochzeit. Es ist das Trauma seines Lebens. Über 40 Jahre hat er nach ihr gesucht, ihren Spuren in den verschiedensten Ländern nachgespürt - nur um immer wieder enttäuscht und tieftraurig in sein Luxusleben in Zürich zurückkehren und weiter an sie denken zu müssen. Tatsächlich gleicht die Villa Stotz einem Schrein, überall finden sich wirkungsvoll in Szene gesetzte Gemälde, Fotografien, Besitztümer, Bücher oder Stickarbeiten Melodys.

 

Nach und nach wird nun auch Tom immer tiefer in diese Geschichte hineingezogen und macht sich schliesslich sogar selbst auf die Suche nach der Verschwundenen. Ob sie tatsächlich noch lebt oder längst gestorben ist?

 

Meine Meinung:

Martin Suter entwirft in seinem neuen Roman das Bild eines Mannes, der gewohnt ist, das zu bekommen, was er will. Als ehemaliger ranghoher Militär, Unternehmer, Nationalrat und Mäzen verfügt er über die richtigen Verbindungen (wichtig in der Schweiz) zu einflussreichen Personen in Politik und Gesellschaft, um eigentlich in jeder Situation am längeren Hebel sitzen zu können. Er hat sich unangreifbar gemacht und manipuliert die Menschen in seinem Umfeld nach seinem Willen. Dabei werden der gute Schein und die edle, menschenfreundlich-gönnerhafte Fassade nach Aussen perfekt gewahrt.

Dass dies zum berechnenden Wesen eines Narzissten gehört und einzig seinen Zielen dient, ist auf den ersten Blick nur schwer erkennbar, selbst nicht für die Menschen, die ihn lieben. Und so mag es vielleicht auch Melody ergangen sein. Möglicherweise hat sie aber hinter der narzisstischen Fassade des Dr. Stotz das, was er wirklich ist, entdeckt: ein verunsicherter, vom Leben enttäuschter und unkontrollierter Mensch, der es nicht erträgt, wenn Menschen einen Lebensentwurf haben, der dem seinem in die Quere kommt.

Und auch Tom entdeckt beim Ordnen der Akten nach und nach  einiges im Leben seines neuen Arbeitgebers, was verstörend und befremdlich auf ihn wirkt.

 

Autor Martin Suter wechselt in seinem Buch geschickt zwischen den verschiedenen Erzählperspektiven. Er lässt Stotz von Melody und ihrem Verschwinden erzählen, und berichtet dann wieder von den ewig gleichen protzigen Essens- und Trinkritualen im Hause Stotz oder lässt Tom beim Sichten der Akten ermüden. So liest man Seite um Seite dieses Romans im Eiltempo weg, um endlich wieder zusammen mit Tom und Dr. Stotz vor dem Kamin sitzen und die Fortsetzung hören zu können.

Am Ende erfahren wir, was wirklich mit Melody geschehen ist, und merken, dass in diesem Buch Vieles nicht so ist, wie es zunächst scheint, und kaum jemand die Wahrheit sagt.

 

Fazit:

Empfehlenswerte Unterhaltungsliteratur mit Tiefgang. Eine Geschichte menschlichen Versagens, die um die Themen Selbstdarstellung, Moral, Schein und Wirklichkeit kreist und dabei oftmals spannend wie ein Krimi erzählt ist. Zu Recht ein Bestseller.

5/5


Informationen zum Buch:

 

Melody • Martin Suter • Diogenes Verlag • 1. Auflage 2023 • 336 Seiten • ISBN 978-3-257-07234-1

 

Roman

 


Unbezahlte Werbung:

Herzlichen Dank an den Diogenes Verlag für die kostenlose Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplars.